Zusammenfassung: Leutnant Gustl (Arthur Schnitzler)
Autor: Arthur Schnitzler (1862 - 1931)Originaltitel: Lieutenant Gustl
Veröffentlichung: 1900
Textsorte: Roman
Textgattung: Epik
Literaturepoche: Symbolismus
Inhaltsangabe:
Mit der 1900 erstmals (zunächst noch unter dem Titel „Lieutenant Gustl“) veröffentlichten Novelle „Leutnant Gustl“ löste der österreichische Mediziner und bedeutende Schriftsteller
der „Wiener Moderne“ Arthur Schnitzler (1862 – 1931) einen Skandal aus. Einflussreiche Vertreter des k. u. k. Militärs sahen in der Novelle einen nicht
hinnehmbaren Angriff auf die Ehre der um 1900 einen herausragenden Stellenwert in Staat und Gesellschaft einfordernden Armee. Schnitzler, der während seiner Militärzeit als
einjährig-freiwillig dienender Militärarzt das Reserveoffiziers-Diplom erlangt hatte, wurde von einem Ehrengericht der Offiziersrang aberkannt. Der dem jüdischen Bildungs- und
Leistungsbürgertum im der Habsburgermetropole angehörende Autor sah sich zudem heftigen antisemitischen Angriffen ausgesetzt. Tatsächlich stellte Schnitzler mit seinem Prosastück
den übertriebenen und geistig leeren Ehrenkodex der damaligen Offizierskaste bloß.
Die bei „Leutnant Gustl“ angewandte Erzähltechnik Schnitzlers lehnt sich an den Realismus des französischen Schriftstellers (Gustave Flaubert („Madame Bovary“) an. Literaturhistorisch ist
das Schnitzler-Werk aber vor allem wegen der in der gezeigten Weise erstmalig verwendeten epischen Technik des „Inneren Monologs“ wichtig. Die auf wenige Vorgänge beschränkte äußere
Handlung der Novelle ergibt sich in ihrer Gesamtheit allein durch die Wiedergabe des von ungeordneten Assoziationen und ständig wiederholten Schlagworten geprägten Gedankenstroms der
Hauptfigur Gustl.
Leutnant Gustl ist ein junger, in der Wiener Garnison diensttuender Subalternoffizier unbestimmter, wahrscheinlich gutbürgerlicher Herkunft. Der Leser erfährt nicht, ob „Gustl“ eine
Verniedlichungsform für „Gustav“ oder „August“ ist oder ob es sich dabei um einen Nachnamen handelt. Als weitere die Handlung vorantreibende Figuren tauchen lediglich jeweils in einer
kurzen Szene der Bäckermeister Habetswallner (am Anfang) und ein Caféhaus-Kellner (am Schluss) auf.
Leutnant Gustl langweilt sich in einem Konzert und ist froh, dass er nach dem letzten Akkord zur Garderobe eilen kann, um seinen Mantel zu holen. Im Gedränge kommt es zu einer
Auseinandersetzung mit dem Gustl flüchtig bekannten Bäckermeister Habetswallner. Dem arrogant-aufbrausenden und beleidigenden Leutnant greift der körperlich stärkere Handwerker an
den Säbel, droht die Offizierswaffe zu zerbrechen, nennt Gustl einen „dummen Bub“ und geht. Niemand der Umstehenden hat den kurzen Zwischenfall registriert. Doch es steht zu befürchten,
dass Habetswallner Verwandten oder Freunden von dem Zwischenfall erzählen wird.
Der Leutnant empfindet die Bäcker-Reaktion als inakzeptable Ehrverletzung. Wäre der Bäcker satisfaktionsfähig, hätte Gustl ihn zum Duell fordern können und so dem Ehrenkodes entsprechen
können. Satisfaktionsfähig sind aber in der deutlich in Kasten geteilten Welt um 1900 lediglich Offiziere, Adlige und Akademiker, aber keine Bäckermeister.
So bleibt dem Leutnant nach der Logik dieses Systems nur der Ausweg, sich selbst eine Kugel durch den Kopf zu jagen, um der Ehre Genüge zu tun.
Bis zum nächsten Morgen gibt sich Gustl noch Zeit, um seine Pistole zu holen. Er irrt durch den nächtlichen Wiener Prater. Sein bisheriges, dem Leser als öde und simpel präsentiertes,
Leben passiert vor seinem geistigen Auge in Erinnerungsfetzen Revue. Gustl wird als unsicherer, wenig gebildeter und extrem dünkelhafter Mensch gezeichnet, dem allein die Zugehörigkeit
zum Offizierskorps Orientierung, Eigenwertgefühl und Halt gibt. Wahre Bindungen zu Menschen sind ihm fremd. Er pflegt ausgiebig zeit- und milieutypische Vorurteile gegen Nichtmilitärs,
Frauen und Juden. Am Morgen will er vor dem „Totsein“ ein letztes Mal frühstücken. In seinem Stammcafé erfährt er von dem mitternächtlichen Schlaganfalls-Tod des Bäckers. Leutnant Gustls
Ehre ist nicht mehr gefährdet.
Letztlich unbeeindruckt von dem Druck der vergangenen Nacht, die ihn möglicherweise zu einem Hinterfragen seiner bisherigen Existenz hätte führen können, lebt Gustl sein Leben wie gehabt
fort. Er geht zum Dienst und bereitet sich auf ein Duell mit einem Juristen vor, der in seinen Augen ehrverletzend gehandelt hatte, weil er die Behauptung aufgestellt hatte, nicht alle
Offiziere seien zur Armee gegangen, um Land und Krone zu verteidigen.