Vormärz | 1830 - 1848 | Literaturepoche
Die Literaturepoche des Vormärz wird in die Werke der Schriftsteller des „Jungen Deutschland“ ab etwa 1830 sowie den eigentlichen Vormärz in den Jahren unmittelbar vor der Märzrevolution des Jahres 1848 unterteilt. Der Vormärz ist daher als Sammelbegriff für die Strömungen in den Jahrzehnten vor 1848 zu verstehen, die sich stilistisch und inhaltlich deutlich von den resignierenden Werken der Biedermeier-Literatur abhoben und ihrerseits zur gesellschaftspolitischen Entwicklung innerhalb des Deutschen Bundes eine offen kritische Stellung bezogen.Historischer Kontext der Vormärzzeit
Die Machtübernahme des Fürsten Metternich brachte auf deutschem Boden eine Protestbewegung der jungen Studenten und Intellektuellen mit sich, die sich offen gegen die politische Situation aussprachen und lautstark die Freiheit der Menschen und die Einheit aller 39 Staaten des Deutschen Bundes forderten. Die ersten Anzeichen der aufkommenden Industrialisierung und des wirtschaftlichen Aufschwungs durch die Öffnung der Zollgrenzen vermittelte den Menschen zudem ein zunehmendes Gefühl der Unsicherheit, das die jungen Intellektuellen aufgriffen und literarisch verarbeiteten. Um die kritischen Stimmen der Literatenkreise auszuschalten, verhängte die Regierung Metternichs im Zuge der Karlsbader Beschlüsse im Jahr 1819 ein allgemeines Verbot des politischen Ausdrucks. Dies brachte auf deutschem Boden eine strenge Zensur, Unterdrückung und Verfolgung der jungen Generation mit sich. Die Universitäten wurden überwacht sowie jegliche politische Aktivitäten und Parteien verboten. Das „Junge Deutschland“ reagierte nicht wie die Autoren des Biedermeiers mit einem Rückzug in die Idylle von Haus und Landbevölkerung, sondern verwarfen den Idealismus von Klassik und Romantik und schufen eine engagierte Literatur, um das Bürgertum wachzurütteln und über die politische Realität zu informieren. Im Jahr 1835 verhängte der Frankfurter Bundestag ein Verbot über die Schriftsteller, ihre Werke weiter zu veröffentlichen, was allmählich zu einer Resignation der Bewegung „Junges Deutschland“ und gleichzeitig zu einer Radikalisierung der Autoren des eigentlichen Vormärz führte.
Themen und Literaturgattungen des Vormärz
Die Schriftsteller des Biedermeiers resignierten in der ersten Jahrhundertmitte aufgrund der Machtverhältnisse im Deutschen Bund, der Zensurpolitik, Unterdrückung und politischen Verfolgung und reagierten auf die Zustände ihrer Zeit mit einem Rückzug ins Private. Das „Junge Deutschland“ und seine Autoren hingegen wandten sich trotz der strengen Verbote jeglicher politischer Aktivität in stark kritischen und revolutionären Schriften gegen die herrschende Klasse. Sie forderten gemäß der Ideale der Französischen Revolution die Freiheit der Menschen und eine Einigkeit der Staaten des Deutschen Bundes und traten für die Emanzipation der Frau durch Zugang zu Bildung, Gerechtigkeit, Meinungs- und Pressefreiheit sowie Demokratie ein. Gleichzeitig griffen sie in ihren satirischen Schriften die Kleinstaaterei des deutschen Bundes, die Kirche und die moralischen Kodizes der Gesellschaft an und forderten deren Überwindung. Um ihre radikalen und oppositionellen Ideen zu transportieren und zu verbreiten, gründeten die Schriftsteller des „Jungen Deutschland“ verschiedene Zeitschriften, in denen sie ihre Prosatexte in Form von geistvoll plaudernden Reiseberichten, Briefen aus dem Ausland, Memoiren und politischen Gedichten veröffentlichen konnten. Die journalistisch-epischen Werke der Vormärzzeit, vor allem der Reisebericht, erlaubte den Autoren, gleichzeitig zu unterhalten und über die politische Situation aufzuklären, ohne bestimmten literarischen Regeln folgen zu müssen. Im Vormärz wurden der Reisebericht und journalistische Darstellungen vor allem unter dem Einfluss des Dichters Heinrich Heine zur Kunstform erhoben.
Die Schriftsteller dieser Epoche verstanden sich nicht als weltfremde Dichter, sondern als öffentlich wirksame Publizisten. Ihre Gedichte waren von metrischer Unkompliziertheit und Volksliedhaftigkeit gekennzeichnet und wurden meist in Gedichtzyklen ohne eigene Überschriften veröffentlicht. Nachdem der Bundestag im Dezember 1835 erstmals in der deutschen Geschichte mit dem „Jungen Deutschland“ eine ganze Literaturströmung verboten hatte, gaben die Autoren ihre gesellschaftskritische Arbeit auf. Die Schriftsteller des eigentlichen Vormärz der Vierzigerjahre hingegen formierten sich in den darauffolgenden Jahren und wählten als ihre bevorzugte Literaturgattung die Lyrik. Sie bedienten sich hauptsächlich der Gedichtform, um ihre zunehmend radikalisierte politische Position, die schon Züge des kommunistischen Gedankenguts trug, vertreten zu können, was dieser Strömung auch den Namen „politische Tendenzdichtung“ einbrachte. In dieser kurzen Phase vor und unmittelbar nach der Märzrevolution wurden in Studien, Berichten, Satiren, Arbeiterromanen und Agitationsgedichten erstmals auch das Elend, die Rechtlosigkeit und die Verarmung der Arbeiterklasse thematisiert. Diese Werke markierten den Beginn einer zunehmend sozialkritischen Literatur.
Werke und Vertreter des Vormärz
Als der bedeutendste Schriftsteller der literarischen Epoche des Vormärz gilt der Lyriker Heinrich Heine, der zwar nicht eindeutig der Gruppe des „Jungen Deutschland“ zuzuordnen ist, jedoch innerhalb dieser Strömung durch seine konsequente politische Haltung eine führende Rolle einnimmt. Heine grenzte sich klar von den Romantikern und deren verklärter Darstellung weltfremder Themen ab, und sein theoretisches Werk „Die romantische Schule“ aus dem Jahr 1836 wurde zu einer der wichtigsten Ideenschriften des „Jungen Deutschland“. Trotz seiner kritischen Auseinandersetzung mit den reaktionären Gesinnungen der romantischen Schriftsteller gilt Heine wegen seiner Ironie, der düsteren und pessimistischen Stimmung seiner Lyrik und der Nähe zum Volkslied auch als der letzte Spätromantiker. In seinen Gedichtsammlungen, sowohl in seinen in drei Teilen veröffentlichten „Reisebildern“, als auch im „Buch der Lieder“ und im „Romanzero“ sind Tendenzen der politischen Zeitgedichte und die Darstellung der Zerrissenheit des Vormärz ebenso zu erkennen wie die Ironie und der Empfindungsreichtum der Romantiker.
Heinrich Laube schuf mit seiner Novelle „Das junge Europa“ eines der Hauptwerke des „Jungen Deutschland“ und verarbeitete den Wunsch nach gesellschaftspolitischen Fortschritten auch in seinen „Politischen Briefen“ und Reisenovellen“. Karl Gutzow erregte mit seinen Romanen „Wally die Zweiflerin“ und „Briefe eines Narren an eine Närrin“ wiederholt die öffentlichen Gemüter, was ihm sogar eine Haftstrafe einbrachte. Als Verfasser der meistgespielten Theaterstücke seiner Zeit, den Lustspielen „Zopf und Schwert“ und „Das Urbild des Tartuffe“ war Gutzow vor allem als Herausgeber einiger für die Strömung wichtiger Zeitschriften bedeutsam. Im Gegensatz zu Laube und Gutzow gerieten viele andere Autoren der Bewegung, wie beispielsweise Theodor Mundt, Ludorf Wienbarg oder Gustav Kühne allmählich in Vergessenheit.
Zu den bedeutendsten Dichtern des politisch radikalisierten Vormärzgedichtes zählen Georg Herwegh, der in den Jahren 1841 und 1843 in zwei Bänden seine „Lieder des Lebendigen“ veröffentlichte sowie August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Verfasser des „Deutschlandliedes“, der im Jahr 1840 seine ironisch als „Unpolitische Lieder“ betitelte Gedichtsammlung herausbrachte. In seinem lyrischen Werk setzte sich Fallersleben für eine Einigung der deutschen Einzelstaaten und Volksrechte im Sinne der Demokratie ein. Ferdinand Freiligrath veröffentlichte 1844 mit seinem Werk „Mein Glaubensbekenntnis“ ein radikalpolitisches Manifest, das ihn schließlich zur Emigration nach Brüssel und London zwang. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland im Jahr 1868 erhielt er als vorbildlicher deutscher Patriot eine Volksspende in der Höhe von 60 000 Talern.
Der Vormärz-Schriftsteller Georg Büchner, dessen Werke wie das Drama „Dantons Tod“, das Dramenfragment „Woyzeck“, das Lustspiel „Leonce und Lena“ und die Erzählung „Lenz“ heute zu den bedeutendsten Arbeiten der deutschen Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts zählen, wurde wegen der beißenden Ironie und Kritik in seinen literarischen Arbeiten wiederholt verfolgt und musste ebenfalls ins Ausland flüchten. Büchner verstarb 23-jährig in Zürich. Seine Bühnenwerke wurden erst lange Zeit nach seinem Tod uraufgeführt und fanden unter seinen Zeitgenossen kaum Beachtung.